Geht das deutsche Eishockey-Wunder weiter?

Geht das deutsche Eishockey-Wunder weiter?

Sie gingen keinem Check aus dem Weg, sie rannten, sie warfen sich in jeden Schuss – und sie setzten in der Offensive Nadelstiche.  Die als Außenseiter gehandelten Cracks der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft haben den Weltmeister Schweden besiegt. Jetzt treffen sie im Halbfinale auf Olympiasieger Kanada.

Das Eishockey-Wunder: Deutschland hat den Favoriten Schweden besiegt – den Weltmeister, im Viertelfinale der Olympischen Spiele, mit 4:3 nach Verlängerung. „Das war ein Wahnsinnsspiel von uns“, stammelte Siegtorschütze Patrick Reimer. „Der Weg ist noch nicht zu Ende. Es ist unser aller Traum, um eine Medaille zu spielen.“ Dieser historische Traum, seit der Bronzemedaille 1976 endlich wieder um Edelmetall zu kämpfen, ist wahr geworden. Im Halbfinale geht es gegen Kanada – den Titelverteidiger. Geht das deutsche Eishockey-Wunder weiter?

Emotionen pur beim Eishockey-Wunder

Die deutschen Fernseh-Kommentatoren um Ex-DEL-Keeper Patrick Ehelechner flippten aus, in der deutschen Kabine wurde mächtig gefeiert, wie das Instagramm-Video beweist.  Und der schwedische Keeper Viktor Fasth schleuderte wutentbrannt seine Kelle gegen das Plexiglas und produzierte Kleinholz. Anzeichen dafür, dass ein Traum wahr wurde: Deutschland steht erstmals in einem Eishockey-Halbfinale bei Olympia (1976 in Innsbruck trat in der Sechser-Endrunde Jeder gegen Jeden an). „Halbfinale – allein das Wort – das ist unglaublich“, sagte Bundestrainer Marco Sturm nach dem 4:3 gegen Schweden.


Der 39-jährige frühere NHL-Spieler hat seiner Mannschaft den Glauben an die eigene Stärke seit seinem Amtsantritt wieder und wieder eingetrichtert. Nun geht es gegen Kanada, Mutterland des Eishockeys, Olympiasieger von 2014 und 2010. Sturm, ganz trocken und überzeugt: „Wir sind bereit, jetzt kann uns nichts mehr schocken.“ Kann das DEB-Team den Kanadiern tatsächlich die Stirn bieten? Wir haben uns die beiden Teams angeschaut:

Kanada:

Stärken:

  •  Abwehrbollwerk: nur drei Gegentore (in der regulären Spielzeit) in vier Spielen. Zuletzt spielte man zweimal zu Null. Gegen Finnland stoppte das Torhüter-Duo Scrivens/Poulin alle 21 Schüsse: Shutout!
  • Die Routine: Akteure wie Chris Lee (Abwehr, 37 Jahre, Ex-Mannheim), Chris Kelly (37/Sturm) oder Rene Bourque (36/Sturm) haben in europäischen Ligen und großteils auch in der NHL bzw. KHL viele Schlachten geschlagen. 
  • Maxim Noureau: Der Verteidiger traf zweimal und sammelte fünf Punkte in vier Spielen.
  • Derek Roy: Der Mittelstürmer der ersten Reihe brachte es auf bisher fünf Assists.
  • Das Powerplay: Rang eins mit einer Effektivität von über 38 Prozent!

Schwächen:

  • Kanada trifft der NHL-Boykott hart: Weltstars wie Sidney Crosby sind nicht dabei. Aus acht verschiedenen Ligen ist die Mannschaft letztlich zusammengewürfelt. Es fehlen die Automatismen.
  • Die viele Routine im Team könnte auch eine Schwächung sein: Sind die Haudegen in den entscheidenden Situationen den berühmten Schritt zu spät?
  • Effektivität vor dem gegnerischen Tor: Nur 8,57 Prozent aller Schüsse landeten in des Gegners Tor, nur Platz sieben unter zwölf Teams.

Deutschland:

Stärken:

  • Der Teamspirit. Sturm: „Wir sind eine große Familie, das ist seit meinem Amtsantritt schon so. Nur so können wir Erfolge feiern. Die Jungs kommen mit Freude und harter Arbeit zu jeder Maßnahme, seit ich hier bin.“
  • Die Automatismen: Die Mannschaft ist im Kern seit Sturms Antritt dieselbe, sie ist eingespielt. Und sie blieb vor und bei diesem Turnier vom großen Verletzungspech verschont.
  • Comeback-Qualitäten: Obwohl man gegen Schweden nach 3:1-Führung den 3:3-Ausgleich kassierte, rappelte man sich wieder auf – und siegte 4:3!
  • Könner wie Kahun, aus den Birken, Ehrhoff: Kahun ist im Sturm pfeilschnell, reißt Löcher und trifft – so wie beim 3:1 gegen Schweden. Ex-NHL-Verteidiger Ehrhoff ist nicht mehr der Schnellste, glänzt aber durch Zauberpässe, enorme Ruhe und Tore – so wie beim 1:0 gegen Schweden. Keeper aus den Birken steigerte sich im Turnierverlauf – und treibt die Gegner mit stoischen Ruhe zur Verzweiflung.

Schwächen:

  • Die letzten fünf Duelle gegen die Kanadier gingen allesamt verloren – nicht gerade ein Mutmacher.
  • Das DEB-Team hat ein Spiel mehr als die Kanadier in den Beinen und dazu schon drei Overtime-Matches (erfolgreich) hinter sich gebracht. Geht es erneut in eine Verlängerung, könnte sich der Verschleiß physisch und psychisch negativ bemerkbar machen.
  • Effektivität vor dem Tor: Nur 7,14 Prozent aller abgefeuerten Schüsse fanden den Weg ins Tor, das bedeutet Platz zehn.

Die Statistik:

Kanadas Weg ins Halbfinale:

  • 1:0 gegen Finnland
  • 4:0 gegen Südkorea
  • 2:3 n.P. gegen Tschechien
  • 5:1 gegen die Schweiz

Die letzten 5 Duelle:

  • 1:2 bei der WM 2017 (Viertelfinale)
  • 1:3 beim Deutschland-Cup 2016
  • 2:5 bei der WM 2016 in Russland
  • 0:10 bei der WM 2015 in Tschechien
  • 2:4 beim Deutschland-Cup 2014

Deutschlands Weg ins Halbfinale:

  • 4:3 n.V. gegen Schweden
  • 2:1 n.V. gegen die Schweiz
  • 2:1 n.P. gegen Norwegen
  • 0:1 gegen Schweden
  • 2:5 gegen Finnland

Meine Prognose:

Kann die deutsche Mannschaft das Spiel lange mit einem Remis oder höchstens mit einem Ein-Tore-Rückstand offenhalten, dann ist das nächste Eishockey-Wunder bzw. ein Sieg Deutschlands tatsächlich möglich. Dafür gibt es eine Quote von 6,00.
Liegt das DEB-Team schon früh mit ein bis zwei Toren zurück, dann glaube ich nicht mehr an ein Comeback und man muss sich vom Endspieltraum verabschieden. Quote für Sieg Kanada: 1,25.
Mein Fokus liegt zudem auf: „Tore Weniger als 5,5“, Quote 1,55. Bei den Defensivkünsten beider Teams glaube ich an ein ähnlich torarmes Spiel wie bei der Heim-WM 2017 (1:2).

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