Wenn Thomas Tuchel etwas sagt, dann klingt es immer so, als wäre das gerade unfassbar klug. Das liegt zum einen daran, dass Tuchel in der Tat unfassbar klug und eloquent ist, aber auch daran, dass der junge Trainer Borussia Dortmunds gerne einen breiten Wortschatz nutzt, um seine Gedanken in Worte zu fassen.
Dass er dabei Gefühle zur Sprache bringt, passiert selten. Doch diesmal wollte er nicht dagegen ankämpfen. „Wenn ich die Hymne höre und an der Seitenlinie stehen darf, ist das bestimmt ein besonderer Moment – ein großes Geschenk“, so der 42-Jährige. Das Spiel in Warschau sei für ihn „ein bisschen wie Geburtstag oder Weihnachten“.
Legia wartet länger
Denn es ist das erste Champions-League-Spiel in der noch jungen Karriere des Thomas Tuchel. Da fragt man sich, was der Abend im Wojska-Polskiego-Stadion für Legia Warschau bedeutet, liegt die letzte Teilnahme doch genau 20 Jahre zurück. Weihnachten, Ostern, Geburtstag an einem Tag? Wobei: So kurz nach der Qualifikation des polnischen Spitzenklubs für die Königsklasse, hörte sich das fast so an, als wäre es besser gewesen, Legia hätte es nicht geschafft. Denn die Truppe des einstigen Militärklubs ist nicht gut drauf, rangiert nach acht Spieltagen auf Platz 11 und spielt phasenweise grottigen Fußball.
Trainer Besnik Hasi, der vom RSC Anderlecht verpflichtet wurde, war nach der Auslosung mit dem BVB, Real Madrid und Sporting Lissabon regelrecht unwohl: „Wir sind in eine Todesgruppe gekommen. Real, Dortmund und Sporting verfügen über große Erfahrung im internationalen Wettbewerb. Schade, dass wir nicht gegen Club Brügge spielen. Ich habe mir einen Gegner gewünscht gegen den wir eine realistische Chance hätten.“
„Werbung für Polen“
Eine Aussage, die seine Mannschaft nicht verstehen kann: „Für den ganzen Klub Legia Warschau ist das eine tolle Sache. In unserer Gruppe sind nur große Namen vertreten. Wir sollten uns darüber freuen, weil das eine große Chance ist sich in Europa zu präsentieren“, sagt Torhüter Arkadiusz Malarz.
Dass Malarz der Spaß vergeht, ist die Aufgabe des BVB. Und genau das war das Problem der Westfalen zuletzt im Ligaspiel gegen Leipzig. Nach vorne fehlte die Durchschlagskraft, im Mittelfeld die Kreativität. Nur Mario Götze war ein Lichtblick, der aber das 0:1 auch nicht vehindern konnte. Der BVB will nun zeigen, dass Leipzig nur ein Ausrutscher war. Wenn sie gewinnen, gibt’s für Tuchel ein Weihnachtsgeschenk im September.
Und sonst so in Gruppe F?
In der anderen Partie des Abends stehen sich Real Madrid und Sporting Lissabon gegenüber. Die Spanier sind mit drei Siegen in die Saison gestartet und stehen bereits an der Spitze der Liga – dazu die Rückkehr von Superstar Ronaldo, der sich im EM-Finale verletzt hatte. Dieser schoss beim 5:2 gegen Osasuna gleich mal das 1:0.
Ronaldos Ex-Klub Sporting ist ebenfalls gut drauf: Die Grün-Weißen gewannen die ersten vier Spiele, am Wochende besiegte die Truppe von Jorge Jesus den FC Porto mit 2:1 und dokumentierte die gute Form. Aber: In der Königsklasse weht ein anderer Wind: Sporting ist nach Porto und Benfica das portugiesische Team mit den meisten CL-Teilnahmen, aber auch mit dem wenigsten Erfolg. Nur einmal erreichte man die K.o.-Runde. Fünf der letzten acht Spiele gingen verloren und Sporting kassierte dabei 24 Tore. Das macht einen Schnitt von drei pro Spiel.
Mein Tipp
Dortmund und Real sollten standesgemäß ihre Aufgaben siegreich meistern. Von Real erwarte ich sogar, dass man einen höheren Sieg einfahren wird. Die Gegentor-Statistik ist bekannt – hinzukommt, dass in den letzten vier CL-Spielen mit Sporting-Beteiligung 21 Tore gefallen sind. Wer hier auf eine Torwette geht, macht vieles richtig.
Was die Gruppe angeht, glaube ich, dass Real Madrid die Gruppe vor den Dortmundern gewinnen wird. Sporting bleibt die Europa League, für Legia gibt es kein Ticket, aber viele Erfahrungswerte für die nächsten Jahre.